Wieviel Aussen braucht es?

In den letzten Tagen sind mir die Masken aufgefallen. Vereinzelt sieht man sie wieder in Bussen und Zügen, manchmal auch auf der Strasse. Ich erwartete das beklemmende Gefühl der Krise ohne Ende, dass sich irgendwann in diesen drei Jahren, die wahrscheinlich nicht nur mein Leben verändert haben, eingeschlichen hatte. Dieses Gefühl kam nicht, dafür ein anderes.

Im ersten halben Jahr der Pandemie war ich mir sicher, dass ich da unbeschadet durchkomme. Jobmässig war es kein Spaziergang, da ich massgeblich in die Organisation dieser Krise eingebunden war. Dafür war ich gesegnet mit einem guten Immunsystem, einem sicheren Job und einer Wohnsituation mit Garten. Ich habe keine Kinder und hatte daher auch kein Homeschooling, selber konnte ich nicht im Homeoffice arbeiten, dafür aber mein Mann, was uns ein friedliches Zusammenleben garantierte. Ich war also zuversichtlich.

Irgendwann begann ich, mich in diese Maske, die wir den ganzen Tag tragen mussten, zurückzuziehen. Das hatte natürlich nicht nur mit der Maske zu tun. Irgendwann in dieser Zeit habe ich erkannt, dass meine Lebensfreude weg war. Nicht weiter verwunderlich, so ging es vielen Menschen in dieser Zeit. Mich erinnerten die ganzen Gefühle, die mich hinter meiner Maske überfluteten, aber mehr an mein Elternhaus, als an den Umstand, dass man ausser arbeiten und schlafen eigentlich nichts tun durfte. Aber eben, deshalb erinnerte ich mich wohl auch. Ständig fühlte ich diese Schwere und Enge in mir. Und irgendwann wurde mir im Aussen alles gleichgültig.

Das weiss ich heute, damals hätte ich meine Gefühle nie so klar benennen können. Seit dem Anblick der Masken in den letzten Tagen wabern sie aber wieder herum und mahnen mich, einen Schritt weiter zu gehen. Gut so, denn es wird Zeit, dass ich wieder ein Gleichgewicht ins Innen und Aussen bringe. Genauso wie Licht und Schatten sind das Innen und das Aussen Ausdruck derselben Sache, Gegensätze der Welt die es zu verbinden gilt, nur so werden sie erfahrbar. Ich muss also wieder aus dem Innen herauskommen, in das ich mich zurückziehen musste, um mich neu zu sortieren.

Wie ich das mache weiss ich noch nicht so genau, zumindest nicht im Aussen. Im Innen – darin bin ich mittlerweile richtig gut – habe ich aber einen Plan. Ich brauche eine innere Haltung, muss mich also fragen, warum ich etwas tue. Dann brauche ich eine äussere Ausrichtung indem ich mir darüber klar werde, wie ich etwas tue. Und wenn ich Klarheit über diese beiden Fragen habe, dann komme ich ganz automatisch ins Handeln und bringe das Ganze ins Leben und damit ins Aussen. Dieser letzte Schritt fehlt mir noch. Und bis dahin mache ich nun das, was Yogalehrerinnen und Yogaschülerinnen so tun. Ich übe das Ganze auf der Matte und werde mir in jedem Hund, in jeder Taube und in jedem Dreieck bewusst, warum ich es tue und wie ich es tue, bevor ich in einer Haltung verweile. Alles, was ich in der Yogapraxis lerne ist ein transformativer Prozess, der Ausdruck in meinem Alltag findet. Was ich tue, wohin ich gehe, was ich gestalte ist das Ergebnis einer inneren Einstellung und eines sorgfältig gewählten Weges. Letzte Woche habe ich mir im Dreieck eine Zerrung im Oberschenkel zugezogen. Mir scheint, es ist ein guter Moment, noch ein wenig auf der Matte zu bleiben und zu üben.

Und hier kannst Du lesen, wieviel Aussen die anderen Schreibfreundinnen brauchen:

Christine

Susanne

Alexandra

Evelyne

Claudia