Wir rücken ZUSAMMEN (Teil 2)

Beim letzten Lagerfeuer waren wir uns nicht einig. Und in der Glut des Feuers beschlossen wir, genau darüber zu schreiben. Der Titel dieses Textes stimmt trotzdem und wer es schafft, bis zum Ende zu lesen, wird auch erfahren weshalb.

Worum es ging? Egal. Das Problem ist nie das Problem, deshalb spielt es keine Rolle. Die Stimmung war eigenwillig und wahrscheinlich waren wir für einmal alle froh, dass uns Zoom nach unserem monatlichen Austausch einen raschen Rückzug ermöglichte. Mich liess dieses Treffen ein wenig ratlos zurück. Ich machte mir keine Sorgen, dass wir uns nicht wiederfinden würden. Aber was war geschehen? Wie immer in solchen Momenten zerlege ich die Situation erst einmal in ihre Einzelteile um die Emotionen entweichen zu lassen und suche ein Ordnungssystem, um für mich wieder etwas Klarheit zu bekommen.

Gerade hatte ich sechs Frauen erlebt, die sich in unterschiedlichen Sprachen über ihre jeweilige Arbeitsweise austauschten. Irgendwie hatte ich gerade den Eindruck, als seien mir Fritz Riemanns «Grundformen der Angst» um die Ohren geflogen 1. Unter den bestehenden psychologischen Typenlehren erscheint sie mir – wenn auch schon etwas in die Jahre gekommen (1981) – immer noch am besten geeignet, mir einen Überblick über das Spektrum zwischenmenschlicher Interaktionen zu verschaffen.

Der Psychologe und Psychoanalytiker Riemann leitet seine Typologie – wie das 1981 noch üblich war – von den vier wichtigsten seelischen Krankheiten ab: Schizophrenie, Zwangsneurose, Hysterie und Depression. Seine Typologie war nicht pathologisierend gemeint, Riemann erkannte vielmehr, dass diesen Krankheiten Wesensmerkmale zugrunde liegen, wie sie ansatzweise in jedem gesunden Menschen vorkommen. Er kam zum Schluss, dass diese Charakterzüge sowohl unsere Handlungsweise als auch unser Beziehungsverhalten beeinflussen. Betrachtet man nun diese Typologie ressourcenorientiert, so kommt man zu vier Grundformen kreativer Typen2. Die folgende Darstellung mag sehr vereinfachend erscheinen und zweifellos sind die meisten Menschen Mischtypen. Ich finde sie dennoch hilfreich für das Verständnis von Kommunikationsprozessen.

Der eigenständige Typ, handelt eher sachbezogen, kühl und unbestechlich. Er verfügt über eine hohe Abstraktionsfähigkeit, ist unkonventionell und bleibt stets gefasst und kontrolliert. Seine Unabhängigkeit ist ihm sehr wichtig. Das Konzept der Hingabe sieht er eher skeptisch. Bezüglich Beziehungsfähigkeit gibt es daher noch Luft nach oben. Bei Riemann ist das der schizoide Typ.

Der strukturierte Typ ist zuverlässig, diszipliniert und geduldig, ausgerichtet auf Form, Ordnung und Sicherheit, systematisch und sachbezogen. Chaos, Ungewissheit und Veränderung mag er weniger. Entwicklungspotential gibt es hier vor allem bei der Spontaneität. Bei Riemann ist das der tendenziell zwanghafte Typ.

Der spontane Typ gilt als kontaktfreudig, innovativ, neugierig und gleichzeitig selbstbezogen. Er ist wendig, gefühlsbetont und begeisterungsfähig. Verbindlichkeit, Begrenzung und Sachzwänge liegen ihm fern. Methodisches und strukturiertes Verhalten haben bei diesem Typen noch Potential. Riemann beschreibt ihn als tendenziell hysterisch.

Der einfühlsame Typ ist stark auf andere Menschen bezogen, teilnahmefähig und rücksichtsvoll. Er geht gefühlsbetont und intuitiv vor. Verbundenheit, Gemeinsamkeit und Harmonie ist ihm sehr wichtig. Die Eigenständigkeit könnte bei diesem Typen noch entwickelt werden. Bei Riemann ist das der depressive Typ.

Es liegt mir fern, uns Schreibfreundinnen oder sonst irgendwen in ein typologisches Schema zu quetschen (wobei ich mich selbst durch diesen Text wohl grad ein wenig geoutet habe). Eine Erklärung, weshalb wir manchmal aneinander vorbeireden, dürfte es aber alleweil sein. Und das ist gut so. Denn um bei der ressourcenorientierten Sicht zu bleiben: ich finde es einfach toll, wie verschieden wir sind. Wenn ich das an jenem vermeintlich unglücklichen Zoom-Lagerfeuer richtig beobachtet habe, können wir so ziemlich alle Ressourcen, die oben erwähnt sind, in einen Topf werfen. Was aus dieser geballten Vielfalt wohl alles noch entstehen kann? Wir werden es erfahren. Und im Zweifel machen wir ein wenig Fremdsprachentraining.

Und schliesslich: zusammenrücken und sich nicht einig sein sind ja letztlich nur zwei Seiten derselben Medaille, nämlich des Miteinanders. So verstehe ich das und darüber freue ich mich sehr.

Willst Du lesen wie das Lagerfeuer-Erlebnis bei den anderen Schreibfreundinnen war?

Susanne

Alexandra

Christine

Claudia

Evelyne

1 Fritz Riemann, Grundformen der Angst, München, 1981

2 Claudia Schuh, Heidi Werder, Die Muse küsst – und dann? Lust und Last im kreativen Prozess, Freiburg, 2015