Wir rücken ZUSAMMEN

Es war im Mai 2022. Wir Schreibfreundinnen unterhielten uns darüber, wo wir in unserem Leben stehen, wo wir uns «verorten». Auf der Suche nach einer gemeinsamen Landkarte stiessen wir auf das Medizinrad. Obwohl wir ganz unterschiedliche (Un-)Kenntnisse darüber hatten entschieden wir uns, dass das Medizinrad unser erster Kompass sein würde.

Ganz kurz zusammengefasst (und in einer ganz eigenen Interpretation) steht das Medizinrad für das zyklische Leben und die Weiterentwicklung im Kontext der Jahreszeiten, der Himmelsrichtungen, der Elemente und der Lebensabschnitte. Im Süden durchleben wir die Kindheit, unsere Ich-Phase. An der Schwelle Richtung Westen gehen wir vom Ich zum Du und stellen uns dem Thema Beziehungen in allen Facetten. Wir versuchen, es allen recht zu machen, ziehen uns zurück oder wir pendeln hin und her. Der Westen steht für unsere Jugend und alle Beziehungsthemen, was mitunter sehr ungemütlich werden kann. Schaffen wir es, uns all diesen Themen zu stellen, gehen wir über die nächste Schwelle in den Norden und kommen in einem Wir an, in dem uns – im besten Falle – unser Zusammenleben nährt. Aber auch hier, insbesondere an der Schwelle vom Westen in den Norden, müssen wir uns zahlreichen Herausforderungen stellen. Hier geht es unter anderem um die Balance in unserem Leben, um das Thema Selbstfürsorge und darum, Verantwortung zu übernehmen, auch für sich selbst. Und im Osten geht dann alles wieder von vorne los.

Aber zurück zu den Schreibfreundinnen. Jede von uns sollte sich – ob intuitiv oder mit Hintergrundwissen, für eine Himmelsrichtung entscheiden und möglichst intuitiv losschreiben. Ich begab mich sehr intuitiv-naiv in den Westen und erfuhr erst später, dass dies mein Ticket in die Drachenhöhle war. Ich schrieb damals folgendes (das ich zum Anlass nahm, meine Einstellung zum Leben grundlegend zu verändern, aber dazu an anderer Stelle mehr):

Selber schuld. Ich wollte mich ja immer weiter entwickeln. Das steht immer wieder in meinen Morgenseiten, die ich ja gar nicht lesen soll, nachdem ich sie geschrieben habe. Wer sagt das eigentlich? Habe ich irgendwo gelesen. Wie so vieles, was ich tue und es irgendwann gar nicht mehr auf den Prüfstand stelle. Oder zumindest so lange nicht mehr, bis ich an diesem Punkt ankomme, indem ich merke, dass ich mich verrannt habe.

Ich weiss es, eigentlich. Alles ist Veränderung. Und man kann mit diesem Wandel nur kooperieren, sonst gibt es ein Rückfahrticket, ich regrediere, schaffe neue Strukturen, bis ich wieder klar denken und fühlen kann. Chaos ist nicht Unordnung, sondern eine höhere Form von Ordnung, die ich im Moment einfach noch nicht verstehe. Habe ich auch irgendwo gelesen. Ich bin Richtung Westen gelaufen, es muss der Herbst sein. Sweet September, Indian Summer. Damit hat es nun wahrlich nicht viel zu tun. Es ist alles andere als süss. Zumindest fühlt es ich im Moment nicht so an.

Dabei war alles gut, mein System war im Gleichgewicht. Ich richtete mich ein in meiner Wohlfühlecke und ging einmal mehr davon aus, dass es so bleibt. Dabei weiss ich es. Irgendwelche Stressfaktoren kommen in mein Leben. Es geht mehr Energie ins System hinein als am anderen Ende wieder rauskommt. Diesmal ist es ein Rundum-Sorgenvoll-Paket: die gesamte nicht-mehr-so-viel- von XYZ Palette an Nebenwirkungen der Wechseljahre, in meinem Falle Schlaf, Rotwein, Schokolade, Kohlehydrate, Leidensbereitschaft etc. Hinzu kam ein Virus, das viel weniger Freiheit dafür sehr viel mehr Arbeit mit sich brachte, eine langjährige Beziehung, die nach Klärung ruft, eine Mutter, die sich zunehmend selber vergisst und die Ahnung, dass es definitiv nicht mehr wird wie früher.

Ich halte fest, an allem, was doch so gut war. Was war das noch gleich? Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, weil ich mich auf dem Weg bis hierher derart verändert habe, dass mir das, was wohl mal gut war aus der heutigen Perspektive nur noch fremd erscheint. Ich weiss, dass ich etwas verändern müsste, tue es aber nicht, bis mir das Resultat dieser ganzen faulen Kompromisse um die Ohren fliegt. Und ja, ich weiss, dass dieser Moment wichtig ist damit echter Wandel überhaupt möglich ist. Ich muss alles neu klären und mir eingestehen, dass ich gescheitert bin. Nur dann kann ich weitergehen.

Ich weiss das alles, auch, dass es ein Rhythmus ist und irgendwann wieder die stabile Phase kommt und das Ganze von vorne beginnt. Bloss nützt mir all dieses Wissen im Moment so gar nichts. Ich muss es F Ü H L E N! Und so stelle ich mir das vor: Ich gehe hinaus, mitten in den Herbst, in den Sweet September, und lasse alles sein. Nach einer Weile spüre ich, was mein Leben ausmacht. Ich beginne zu staunen. Der ständige Wandel fühlt sich sanft an. Ich fühle mich sanft an. Ich gehe raus aus dem Widerstand und beginne, zu verstehen. So stelle ich mir das vor.

Und hier geht es zu den Himmelsrichtungen der Schreibfreundinnen:

Alexandra

Susanne

Christine

Evelyne

Claudia