Auf leisen Pfoten (Reise in die Stille Teil 1)

Wie jeden Morgen rolle ich meine Matte aus und setzte mich in einen Fersensitz. Letzteres ist neu. Mitten in der Pandemie kam ich auf die Idee, für einen Marathon zu trainieren. Ich hatte die fixe Idee, dies noch vor meinem fünfzigsten Geburtstag tun zu müssen. Glücklicherweise war dies der einzige Punkt auf meiner «Bucket-List» der Lebensmitte und mein Knie reagierte überdeutlich auf diesen unsinnigen Plan. Wahrscheinlich wäre es klug gewesen, nicht erst mit neunundvierzig Jahren auf diese Idee zu kommen. Oder überhaupt nicht.

Ich sitze nun also nicht mehr im Schneidersitz sondern im Fersensitz auf der Matte, erhöht auf einem dicken Kissen. Das ist ungewohnt, aber entspannt. Es lässt mich fühlen und ich muss nicht überlegen, wie ich mein beleidigtes Knie im Schneidersitz lagern soll, damit es nicht schmerzt. Richtig, das hört sich selbstverständlich an. Ich habe aber wochenlang gebraucht, mich nicht mehr gegen diese Verletzung zu stemmen sondern sie zu akzeptieren. Zu akzeptieren, dass auch mein Körper verletzlich ist. Mein Körper, den ich seit Jahren intensiv trainiere, damit er mich verlässlich trägt. Das war die Idee. Aber irgendwie scheine ich dabei vergessen zu haben, dass ich älter werde. Und dass Geist und Seele auch noch ein Wörtchen mitzureden haben mit dem Körper.

Ich trainiere regelmässig. Immer noch. Krafttraining macht etwas mit mir. Es macht mich ruhig. So war denn auch in meiner Yogapraxis jahrelang mein Sankalpa (meine Absicht): «Finde Stille in der Kraft». Spätestens jetzt im Fersensitz werde ich den Verdacht nicht los, dass das nicht meine wahre Kraft ist, was ich da spüre. Irgendwie ist es ähnlich wie in meinem Job. Ganz viel Wissen, Kompetenz und Perfektion verschaffen Sicherheit. Vermeintliche Sicherheit. Vermeintliche Kraft. Und jetzt? Akzeptierte Verletzlichkeit. Immerhin, das scheint mir ein Anfang zu sein.

Was bedeutet wahre Kraft? Ich schaue von meinem Hochsitz auf der Matte aus dem Fenster und beobachte meinen Kater Rumi, wie er in seinem Körbchen liegt und sich hingebungsvoll putzt. Ganz bei sich, selbstvergessen, voll und ganz. Er konzentriert sich auf seine weisse Pfote, die er seit Minuten genüsslich abschleckt, Millimeter für Millimeter. Ich schätze, es wird noch eine kleine Ewigkeit dauern, bis die zweite Pfote dran ist. Aber das überlegt er sich natürlich nicht. Er hat keine To-Do Liste, der Glückliche. Er geht gerade in seiner Pfote auf, jetzt.

Ich bin neidisch. Bei mir funktioniert das so nicht. Ich bin ja auch keine Katze. Aber ich habe eine Idee, wie ich dort hinkomme, in diese Katzenwelt. Um im Hier und Jetzt zu sein, brauche ich einen Ort, von dem aus ich mich selbst beobachten kann. Aber wo ist dieser Ort? Man kann den Kopf ja nicht vom Kopf aus beobachten. In diesem Moment wird mir klar, dass wahre Kraft woanders herkommt. Sie kommt nicht von aussen und sie kommt auch nicht aus der Ruhe. Sie kommt aus der Stille. Und dazu braucht es einen anderen Blickwinkel. Man muss das, was man tut, von innen her betrachten. Es geht darum, zu erfahren, und nicht zu viel zu denken. Es geht darum, nicht durch andere und anderes zu leben.

Ich glaube, die Aufgabe auf der anderen Seite der Lebensmitte besteht weniger darin, diesen Marathon zu laufen, viel eher geht es darum, das eigene wahre Wesen kennenzulernen und sich von alten Mustern und Prägungen zu befreien. Es geht darum, bewusst und bedingungslos frei von äusseren Umständen zu leben und vor allem zu lieben und damit die Achtsamkeit für das zu fördern, was wirklich Sinn macht im eigenen Leben. Und ich bin mir sicher, dass der Weg dorthin in die Stille führt. So hat auch mein Sankalpa einen neuen Blickwinkel: «Finde Kraft in der Stille». Wahre Kraft. Manchmal muss man Umwege (nicht unbedingt einen Marathon!) gehen im Leben, aber diese erhöhen ja bekanntlich die Ortskenntnis. Und diese Kenntnisse möchte ich hier gerne mit Dir teilen.

Wege in die Stille sind sehr individuell. Dennoch glaube ich, dass es Stationen auf der Reise gibt, die zumindest den Weg ebnen. Ich habe dazu fünf Thesen:

These 1: Das Problem ist nie die Welt, sondern wie wir die Welt sehen.

These 2: Die Lösung des Problems heisst Präsenz.

These 3: Präsenz entsteht durch Körperwahrnehmung.

These 4: In der Präsenz hören wir unsere innere Stimme.

These 5: Die innere Stimme schafft Klarheit und Vertrauen.

Magst Du mitkommen auf die Reise? Dann lade ich Dich ein, in den nächsten Wochen erste Einblicke in diese fünf Schritte zu bekommen.

In einer kleinen Blog-Reihe werde ich Dir die Türen zu dieser Welt ein wenig öffnen und Du wirst erfahren, wie Du Dir mit ersten kleinen Schritten im Alltag Deinen Raum für Stille schaffen kannst.

Ich freue mich auf Dich. Lass uns gemeinsam diese Welt hinter den Dingen entdecken.

Das Buch dazu ist im Entstehen…

2 Gedanken zu „Auf leisen Pfoten (Reise in die Stille Teil 1)“

    1. Wundervoll geschrieben liebe Marion.
      Die Stille ist der Ort an dem wir wohnen, uns finden und entdecken.

      Freue mich auf die Blog Serie. 😊

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